Beobachtungen am Storchenhorst in Linden/Pahlkrug in der Brutsaison 2016

 

Vorwort

 

Die vielen Beobachtungen an unserem Storchenhorst sind nur möglich, weil

der Horst sich in unmittelbarer Nähe zu unserem Wintergarten befindet.

 

Das morgendliche ausgiebige Lesen der Tageszeitungen geschieht immer im

Wintergarten, und dabei hat man stets die Störche vor Augen.

 

Treten dann Fremdstörche auf, zeigt das Brutpaar das in der Regel sofort

an, und man kann dann die entsprechenden Beobachtungen machen.

 

Auch unsere große Terrasse befindet sich neben dem Wintergarten. Bei schönem

Wetter verbringen wir dort manche Stunden und haben so immer einen guten

Einblick in das Leben unseres Storchenpaares.

 

Nur diesen Umständen ist es geschuldet, dass so manche brutbiologische

Beobachtung—die dem gelegentlichen Beobachter in der Regel verborgen

bleiben—gemacht werden konnte und hier beschrieben wurde.

 

Eine in mancherlei Hinsicht interessante und abwechslungsreiche Storchensaison

war für unseren Horst das Brutjahr 2016.

 

Ungewöhnlich früh—wie noch nie zuvor in der Geschichte unseres seit 1979

bestehenden Horstes—wurde unser Neststandort vom Vorjahrespaar wieder

besetzt.

 

Schon am späten Abend des 07.02.16 konnte ich gegen 18.30 Uhr fast schon bei

Dunkelheit erkennen, dass ein Storch auf dem Horst stand. Um seine Identität zu

klären, bot ich am nächsten Morgen ein paar kleine Weißfische am bekannten

Vorjahresfutterplatz an.

 

Der Ankömmling flog schnurstracks den Futterplatz an,

und verschlang gierig ein paar Fische. Dabei konnte ich keine Beringung feststellen.

Es musste sich also um unser unberingtes Weibchen des Jahres 2015 handeln.

 

Dafür sprach auch das in den folgenden Stunden gezeigte Verhalten am Horst

und auch in der Hauskoppel in unmittelbarer Horstnähe.

 

Schon am nächsten Tag, 08.02.16, gegen 17.00 Uhr taucht hier ein zweiter

Storch auf. Schnell kann ich per Spektiv unser beringtes holländisches Männchen

NLA 4682—unser Brutstorch in den letzten 3 Jahren – an seinem Metallring erkennen.

 

Wenn das Weibchen bei ihm im Horst landet, klappern beide gemeinsam,

aber anschließend drückt er das Weibchen aus dem Horst. Der Vorgang wiederholt

drei Mal hintereinander.

 

Dem Weibchen bleibt nichts anderes übrig als bei Windstärke 7-8 und Dauerregen

auf der Sirenenkuppel des Nachbarhauses zu übernachten. Am Morgen des 09.02.16

--es ist fast noch dunkel—entdecke ich die auf der Sirene übernachtende Störchin dort aber nicht.

 

Gegen 9.00 Uhr steht das Weibchen in der Krone der großen Eiche in direkter Horstnähe, während das Männchen im Horst verweilt.

 

Tagsüber sind dann beide gemeinsam auf Nahrungssuche. Sie fliegen zusammen

auf den Horst und stimmen eine Klapperstrophe an. Doch wieder stößt NLA 4682

sein Weibchen 3 Mal hintereinander wieder aus dem Horst.

 

Erneut muß das Weibchen auf der Sirene übernachten, doch heute ist es windstill.

 

Am frühen Morgen des 10.02.16 erkenne ich auf der Sirene erneut keinen Storch.

Die Störchin steht nun offenbar einvernehmlich und geduldet mit ihm Horst.

 

Gegen 9.00 Uhr kommt es zu einer ersten Kopula, und auch ein erster Überflug

eines Fremdstorches ist zu verzeichnen.

 

Im Zeitraum vom 10.02.16 bis 24.03.16 fanden 40 beobachtete Paarungen

statt. Es dürften aber noch weit mehr Paarungen stattgefunden haben, denn es wurde nicht an allen Tagen beobachtet, sondern lediglich die zufällig bemerkten Paarungen notiert.

 

Schon am 14.03.16 dürfte das erste Ei gelegt worden sein, denn ab 15.03.16 ist das

eindeutige Brutverhalten, wenden des Geleges und dauernde Anwesenheit eines

Storches und auch die Brutablösung zu beobachten.

 

Ab 18.04.16 kann ich das erste Fütterungsverhalten feststellen. Um 16.30 Uhr würgt

NLA 4682 die Nahrung aus und schluckt größere Brocken wieder auf, und eine Stunde später füttert auch das Weibchen.

 

Am 28.04.16 sind zweifelsfrei drei gut genährte fast gleich große Jungstörche bei sonnigem Wetter auszumachen, als die Drei ihre Köpfen hoch reckten.

 

Die weiteren Wochen der Jungenaufzucht verliefen problemlos, und am 27.05.16

erhielten alle drei ihren „Personalausweis“, einen schwarzen Elsa Kunststoffring der Vogelwarte Helgoland.

 

Sie erhielten die Ringnummern: DEW 5T841, 5T842 und 5T843.

 

Fremdstörche:

 

Im Zeitraum vom 12.04.16 – 26.07.16 erschienen fast täglich Fremdstörche in der Nähe unseres Horstes. Es waren überwiegend nur Einzelstörche aber gelegentlich auch Paare, die versuchten auf dem Horst zu landen. Einige Male wäre das auch fast gelungen, aber unser Brutpaar schaffte es jedes Mal die Eindringlinge abzuwehren bzw. auf Abstand zu halten. Einige Male überflogen auch offensichtlich durchziehende Störche in kleinen Trupps in ziemlicher Höhe den Horst. Auf diese Durchzieher reagierte das Brutpaar in der Regel kaum.

 

Beringte Fremdstörche:

 

Sofern es möglich war, konnte ich die Herkunft und das Alter von beringten Störchen

klären, die sich in unmittelbarer Horstnähe niederließen. Den Storch DEW 9X459,

beringt am 07.06.11 konnte ich auch ohne Ablesung erkennen. Dieses Storchenmännchen besitzt auf der rechten Seite eine schwarze Schwanzfeder und

ist dadurch unverwechselbar auch im Flug zu erkennen. Der Storch ist ein ziemlicher Raufbold, der schon im Jahre 2015 in Delve, seinem Brutort und in Bergenhusen in heftige, blutige Kämpfe verwickelt war.

 

Auch in 2016 kämpfte er mehrfach gegen verschiedene Störche sowohl in Delve als auch auf der anderen Eiderseite in Bargen/Erfde. Schließlich sprengte er in Heide-

Süderholm ein bereits brütendes Paar, vertrieb das Männchen und warf das bereits

vorhandene Gelege aus dem Horst. DEW 9X459 übersiedelte schließlich nach

Heide-Süderholm, wo aus einem Nachgelege noch ein Jungstorch hervor ging.

 

Am 21.02.16 und 03.03.16 erschien er hier allein, und am 17.03.16 mit einem Partner. Er blieb hier aber jedes Mal völlig harmlos, bzw. unser Brutpaar wehrte ihn dann auch erfolgreich ab.

 

DEW 9X456 beringt am 07.06.11 in Seeth/Nordfriesland- ein Nestgeschwister zu

9X459—erschien hier am 26.03.16. Steht auf unserem Hausdach am Firstende in

nur ca. 15 m Abstand zum Horst und anschließend auch auf dem First des

Nachbarhauses. Er wird nach ca. 10 Minuten von unserem Männchen NLA 4682

vertrieben.

 

DEW 3X918 beringt am 28.06.07 in Heide-Süderholm, erscheint am 25.05.16 und steht ebenfalls am Firstende unseres Hauses. Nach der erfolgten Ablesung

klatschte ich zu Vergrämungszwecken zwei Mal in die Hände und 3X918

verschwindet ohne die Brut hier zu gefährden.

 

DEW 0X027 beringt am 13.06.12 in Wyk/Föhr erscheint hier am 08.05.16 steht in der Krone der riesigen Silberpappel und anschließend noch auf der Sirene. Durch kurzes Händeklatschen lässt auch er sich vertreiben.

Am 25.07.16—unsere 5 Störche sind allesamt nicht am Horst—steht DEW 0X027

sogar längere Zeit unbehelligt bei uns auf dem Horst.

 

DEW 4X557, beringt am 15.06.07 in Bergenhusen, erscheint mit unberingter Partnerin und steht auf unserem Horst. Das Weibchen fliegt sofort zum Futterplatz und frisst gierig. 4x557 sofort hinterher und frisst ebenfalls.

 

Am 17.08.16 bedienen die beiden sich hier noch einmal, werden danach aber nicht

festgestellt. Seltsam war für mich, dass Störche die nicht gefüttert wurden, sofort

den Futterplatz aufsuchten. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass unser langjähriges ebenfalls unberingte Weibchen (eine Ostzieherin) in 2016 bei

Juhl/Linden gebrütet hat, und wusste wo sie mal Futter auf einfache Weise

ergattern konnte. Das ist aber, weil sowohl das alte wie auch das neue Weibchen

unberingt sind, reine Spekulation, aber möglich wäre es durchaus.

 

Besonderheiten:

 

Am 05.02.16 steht ein Paar Nilgänse im Horst. Sie lassen sich leicht vergrämen, schon durch zweimaliges Händeklatschen. Laut zeternd und krächzend suchen sie

das Weite.

Ab 04.04.16 lahmt NLA 4682 stark auf einem Bein. Es scheint aber nichts gebrochen zu sein, und eine Schwellung liegt auch nicht vor. Nach ca. einer Woche läuft er dann wieder normal.

 

Einen sehr heißen Tag haben wir am 08.06.16, in der Sonne sind es 47 Grad.

Unsere 5 Störche, die komplette Familie, sitzt gemeinsam im Horst und genießt

ganz offensichtlich die warme Sonne. Am 23.06.16 haben wir wieder über 30 Grad.

 

Die Altvögel verfüttern jetzt auch sehr häufig Mäuse und Maulwürfe. Mit den großen

Futterbrocken zerren die Jungen des öfteren lange hin und her bis es schließlich

einem gelingt den Maulwurf abzuschlucken. Auch diesen Vorgang konnte ich

im Foto festhalten.

 

Am 02.07.16 setzte sich das Männchen NLA 4682 in den Horst, das Weibchen stand

neben ihm und unternimmt einen Paarungsversuch. Eine Aufforderung zur Paarung

durch das Weibchen, nachdem die Jungen schon lange flügge waren???

 

Seeadler:

 

Wie schon in etlichen Vorjahren, konnte ich auch in diesem Jahr wieder Seeadler Besuch in unmittelbarer Horstnähe feststellen. Am 28.03.16 herrschte sehr starker

Südwind. Ein adulter Seeadler kämpfte sich in nur 80 Meter Entfernung vom Horst,

sehr niedrig fliegend im Schutze eines Knicks gegen den starken Wind voran.

 

Das Brutpaar reagierte mit heftigem Drohgeklapper, genauso als sei ein fremder Artgenosse aufgetaucht, verfolgte den Adler aber nicht. Einen beringten adulten

Seeadler konnte ich am 09.04.16 beobachten als er in ca. 300 m Entfernung in einer

Fichte saß.

Am 03.06.16 erneut ein Adler in ca. 150 m Entfernung vom Horst. Nach heftigen Drohgebärden fliegt NLA 4682 gleich hinterher, dabei vor Erregung immer im Fluge klappernd. Nach ca. 10 Minuten kehrt er zurück nachdem die Lage sich wohl für ihn beruhigt hatte. Gleich 2 Altadler nähern sich den in der Hauskoppel den nahrungssuchenden Jungstörchen. Sofort sind die Altstörche zur Stelle, verfolgen

die Adler und sind eine ganze Weile noch in ziemlich aufgebrachten Zustand.

 

Das Seeadler durchaus eine Gefahr für die Jungstörche im Nest bzw. kurz nach

dem Ausfliegen sind, ist nicht auszuschließen.

 

Auf dem Sachsen-Anhaltischen Storchentag vom 14 - 16.10.16 berichtete Helmut

Eggers, Lübtheen, schon in einem Vortrag von derartigen Fällen, die bisher in der Literatur noch nicht geschildert wurden.

Ob das Anwachsen der Population des Seeadlers in Schleswig-Holstein mit derzeit

wohl 98 Brutpaaren zu ähnlichen Vorfällen im Lande führt, sollte gewissenhaft

beobachtet werden.

 

Jungstörche des Jahrganges 2015:

 

Ich staunte nicht schlecht, als ich in der Zeit vom 27.07.16 - 08.08.16 einen Jungstorch aus 2015, mit der Nummer DEW 3T063 in unmittelbarer Nähe seines

Geburtsnestes feststellen konnte. Dieser erst einjährige Jungstorch kam allabendlich

immer so gegen 21.30 Uhr zur Übernachtung auf das Dach des Baugeschäftes Schmidt. Die Entfernung zu seinem Geburtsnest beträgt nur 250 Meter.

 

Auch sein Nestgeschwister DEW 3T064 wurde in einem Zugtrupp von 27 Ex. am 08.08.16 am Ortsrand von Pahlen nachgewiesen, Entfernung zum Geburtsnest = 5 km.

 

Auch als Durchzügler erschien DEW 3T064 am 24.08.16 im Wildpark Eekholt.

Dort gelang Jürgen Lustig, Rendsburg, ein entsprechender Fotonachweis.

 

Zugunruhe // Zugzeit // Auflösung der Familenbande:

 

Schon jahreszeitlich sehr früh machte sich in dieser Saison die Zugunruhe bemerkbar.

So erschien schon am Vormittag des 28.07.16 ein kleiner Trupp von 7 Ex. über dem

Horst kreisend, und nachmittags sogar dann ein Trupp von 13 Ex. Das Sammeln hatte

also begonnen, unsere Jungen waren allerdings Abends alle wieder im Horst.

 

Als dann am 29.07.16 gegen 12.00 Uhr wieder ein Trupp von 7 Ex. erscheint, schließen sich unsere Jungen diesem Trupp an. Heute Abend sind unsere 3 Jungstörche erstmalig nicht an den elterlichen Horst zurück gekehrt. Schon Zugbeginn ???

 

Am 01.08.16 ist Jungstorch DEW 5T843 wieder da. Er wird auch sofort wieder von den Altvögeln gefüttert. Ab 03.08.16 wird DEW 5T843 nicht mehr gefüttert, obwohl

er ständig laut und flügelschlagend bettelt.

 

Am 05.08.16 um 21.40 Uhr ist ein zweiter Jungstorch wieder mit im Nest. Eine Ablesung kann wegen der Dunkelheit aber nicht mehr erfolgen. Ab 07.08.16 ist nur

noch Jungstorch DEW 5T843 alleine auf dem Horst. Die Altvögel füttern nicht mehr.

 

Der Jungstorch schlägt zwar noch heftig mit den Flügeln als er die Alten anbettelt, doch es gibt jetzt keine lauten Bettelgeräusche mehr.

 

Am 09.08.16 sind keine Jungstörche mehr da, ihr erster Herbstzug hat offensichtlich

nun begonnen.

 

Schon ab 10.08.16 ist nur noch unser Weibchen alleine auf dem Horst. Auch NLA 4682 ist nicht mehr da, hat er den Zug womöglich auch schon begonnen ?

 

Aber am 14.08.16 gegen 17.00 Uhr ist NLA 4682 wieder da. Er war vom 10.8.16 bis

14.08.16 = 4 Nächte nicht am Horst. Bis ca. 12.00 Uhr war auch sein Weibchen noch

hier am Horst, Abends ist sie nun nicht mehr da. Beide haben sich am 14.08.16

wohl verpasst. Am Folgetag, 15.08.16 ist unser Paar wieder vereint, so gegen 15.00 Uhr kam das Weibchen wieder.

 

Am 17.08.16 ist wieder nur das Weibchen alleine da, NLA 4682 ist erneut weg,

jetzt für ihn Zugbeginn ?? Und am 19.08.16 ist auch das Weibchen weg. Für sie ist

es offensichtlich der Beginn des Herbstzuges, da sie in der Saison 2016 nicht mehr

am Horst festgestellt werden kann.

 

Am 21.08.16 gegen 21.40 Uhr steht wieder ein Storch zur Übernachtung im Horst.

Für eine Ablesung ist es jedoch schon zu dunkel.

 

Am nächsten Morgen, 22.08.16 treffe ich NLA 4682 nahrungssuchend alleine auf einer Silokoppel an. Er übernachtet auch noch mal vom 22.08.16 auf den 23.08.16.

Am Morgen des 23.08.16 gönnt er sich noch eine ausgiebige Fischmahlzeit am

Futterplatz, und am Abend dieses Tages ist auch NLA 4682 zur Reise in Richtung

Spanien aufgebrochen.

 

Jetzt gilt es die Daumen zu drücken, und hoffen, dass die Störche unbeschadet im

Frühjahr 2017 ihren Horst wieder in Besitz nehmen können.

 

Verfasser: Rolf Zietz,Pahlkrug 15, 25791 Linden, Tel: 04836-549

 

E-Mail: Rolf.Zietz1@gmx.de

 

verfaßt am 24.10.2016